Vorwort


Ekkehart Rautenstrauch
*5.1.9141 in Zwickau/Sachsen
+3.1.2012 in Nantes/Frankreich

war ein Künstler, dessen Werk nicht mit großem Aufsehen die bildnerische Kunstbühne betritt. Es ist eher eine stille, kontinuierlich seit den 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts vorangehende Arbeit, die es zumindestens im deutchsprachigen Raum zu entdecken gilt.
Rautenstrauch war einer jener Künstler, der sehr viel reflektierte und über seine Kunstvorstellungen ausführlich kommunizierte. Das machte ihn für seine Studenten zu einem idealen Lehrer, sein emotionales und konzeptuelles Temperament steckte an, seine authentische und seriöse Haltung zur Zeitgenössischen Kunst war überzeugend und emphatisch. Die Suche nach einer aktuellen und gültigen Kunstform spiegelt sich auch in seinen Arbeiten wider.
Die Lehrtätigkeit an der Kunstakademie in Nantes und später an der Hochschule für Architektur, der ständige intellektuelle Austausch mit jungen Studenten wirkten sich auf seine eigene Tätigkeit befruchtend aus. Als Dozent blieb er sehr engagiert, verfolgte intensiv die aktuellen Kunstströmungen und forderte seine Umwelt immer wieder aufs Neue zum Nachdenken und zum Disput heraus.

Abb: Oktober 2011 in Albstadt-Ebingen

Der Wandel jeder künstlerischen Schöpfung inspirierte ihn, machte ihn im kulturellen Leben zu einem beliebten und attraktiven Kunstversteher. Mit Beuys, den er sehr schätzte, hatte er gemeinsam, dass die Erweiterung des Kunstbegriffes ihn faszinierte. Nicht unbedingt konzeptuell sondern eher in visueller Hinsicht: Linien, Farben, das Zusammenfügen verschiedener Sehstrukturen, Musikzitaten, Musikaufführungen, Videoinstallationen.
Räumliches Sehen
Die dreidimensionale Technik ermöglichte es ihm, ein neues Raumerleben zu kreieren. Jetzt galt es noch mehr als vorher, den virtuellen Raum aufzuspüren. In den frühen 1970er Jahren arbeitete er mit fotochemischen Reaktionen, mit auf Fotopapier sich entwickelnden Emulsionen. Zuvor hatte er reliefartig plastisch wirkende Kordel, Schnüre bzw Fäden vor die Bildfläche gesetzt. Ein ständiges Gleiten des Blickes zur eigentlichen Bildfläche sollte so einen räumlichen Eindruck erwecken. Seit Mitte der 1970er Jahre wurde die Dreidimensionalität durch optische Geräte (3D-Brillen, 3D-Apparate, 3D–Beobachter) hervorgerufen. Das dreidimensionale Bild, von zwei verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen, das sich im Gehirn des einzelnen Besuchers zusammenfügte, war jetzt gänzlich neuartig, individuell und spirituell. Form, Farbe und virtueller Raum zu einem Klangerlebnis zu führen, das war das Anliegen des Künstlers.
Die Musik
Die Musik spielte in allen seinen Bildern und Kunstinstallationen eine große Rolle: Seien es die großen Installationen „Fotoband“ aus dem Jahre 1976 oder später die Videomusik-Arbeit „Brachland“, seien es die „Winterreise Schuberts“, die "Goldberg-Variationen" von J.S. Bach, oder auch nur die hineinkomponierten unzähligen Notenzitate der zeitgenössischen Komponisten wie z.B. K.H. Stockhausen. So sind manche Bilder durchaus auch als Klangkompositionen zu sehen.
Neue Medien
Die neuen Medien kamen in seinen Arbeiten ebenfalls zur Geltung: Arbeiten am Computer, Videosequenzen, digitale Techniken faszinierten ihn, er konnte sie – das hatte er immer wieder betont - aber nur laienhaft in seinen Arbeiten verankern.

Zu dieser Ausstellung in Zwickau

Für unseren Bruder Ekkehart war es ein großes Anliegen sowohl in seiner Geburtsstadt Zwickau als auch in Ebingen, der Stadt, in der er zur Schule ging, auszustellen.
Im Winter 2011 hatte Ekkehart Rautenstrauch in Ebingen/ Albstadt die Eröffnung seiner letzten großen Ausstellung noch erlebt. Dafür war er dankbar und froh; Ebingen war die Heimatstadt seiner Jugend, die reizvolle und herbe Landschaft der Schwäbischen Alb haben ihn geprägt.
Ein Jahr vor seinem Tod unternahm er mit seiner Familie eine ausgedehnte Reise in die Vergangenheit, in das Land seiner Vorfahren. Er besuchte Leipzig, Dresden und reiste ins Erzgebirge. In Zwickau, seiner Geburtststadt, die lange unbekannt für ihn blieb, wollte er ebenfalls unbedingt ausstellen. Diesen Wunsch haben wir Brüder uns zu Herzen genommen. 5 Jahre nach seinem Tod werden über 60 ausgewählte Bilder in seiner Geburtsstadt Zwickau gezeigt.
Die Auswahl der der zu zeigenden Bilder fiel uns besonders schwer. Wir haben schwerpunktmäßig die musikalischen Themen in einem Raum zusammengefasst. In den anderen Räumen vorwiegend größere Bilder mit Skizzen, daneben sind auch die kleineren Nimslo-Bilder zu sehen. Unseres Wissens werden die Nimslo-Bilder* zum ersten Mal in einer Ausstellung gezeigt; umso mehr freuen wir uns, dass die Galerie am Domhof hierfür einen würdigen Rahmen bietet. Fast gänzlich verzichteten wir auf die 3D-Brillen, 3D-Guckkästen und die 3D-Beobachterskulpturen.

Wir sind allerdings fest überzeugt davon, dass Ekkehart in Deutschland mehr künstlerische Aufmerksamkeit verdient hätte. Dieses Buch soll einen kleinen Überblick über sein Schaffen geben.


*Nimslo-Bilder: Bilder mit einer Spezialkamera aufgenommen. Die Diapositive wurden in den 1980er Jahren in Speziallabors in den USA verarbeitet. Nach der Entwicklung zeigten die Bilder einen Relief-Effekt ohne Vorschalten einer optischen Hilfe.