Nachwort

Unser Bruder wa ja zur Hälfte, vielleicht sogar zu drei Vierteln ein Franzose geworden, seine Lebensart war offen, kommunikativ und aufgeschlossen. Seine Kinder sind französische Staatsbürger geworden. Er fühlte sich in Frankreich wohl, seine Arbeit erfüllte ihn, seine künstlerische Heimat war Frankreich. Das deutsche eher marktschreierische Kunstgebaren schreckte ihn ab, wenngleich er manchmal vom klassischen "armen Künstler", der er ja wirklich war, die Nase voll hatte.
Sein französich hatte immer einen unverkennbaren schwäbischen Akzent behalten. Die engen künstlerischen Bande zum "Bauhaus" und zur europäischen Avantgarde blieben immer stark und intensiv, seine Gefühle für seine alte Heimat waren ungebrochen, nahmen im Alter eher zu. Seine französichen Kollegen und Freunde haben ihn immer als "deutsch bis in die Haarwurzeln" beschrieben, aber bewundernd auch seine europäisch offene, ja kosmopolitische Lebensweise gerühmt.

Mit meinem Bruder, der ja nur ein Jahr älter als ich war, gab es lebenslang einen regen Austausch über bildende Kunst, Musik, neue Filme und auch Literatur.In seiner Wohnung atmete überall die klassische deutsche Bildung, Bücher über Bücher, Bildbände und viele, viele Schallplatten, Musik-CD's, umgeben von afrikanischen Skulpturen und eigenen Arbeiten. Einen besonderen Platz nahmen Erlebnisse, Reisen und Erinnerungen aus seiner alten Heimat Deutschland an, der Kontakt zu seinen deutschen Freunden riss nie ab. Vielleicht war es gerade die starke und stolze französische Identität, der er sich ständig gegenübersah, die die Rückbesinnung auf seine deutschen Wurzeln verstärkte.

Aus seinem Arbeitsbuch, Sept. 1985, Ekke und Thomas(li)

Seine Lehrtätigkeit an der Kunstakademie in Nantes hat ihn zu einem Kenner der Modernen Kunst gemacht, neue Strömungen wurden sachkundig kommentiert, flossen auch in seine Arbeiten mit ein. Von seiner dritten Frau Muriel geb. Lucas habe ich einige Zitate und Beschreibungen übernommen, die wir als Brüder nicht so zeitnah miterlebt hatten. Die letzten 12 Jahre dieser harmonischen Zeit mit Muriel haben ihm wieder Sebstvertrauen gegeben, ihm viel von seiner inneren Zerrissenheit genommen. Zusammen gingen sie wieder auf Reisen, neue Ausstellungen wurden in Angriff genommen.
Wesentliche Gedanken zu seiner Kunst finden sich in seinen Briefen aus den 1970er Jahren, sie haben in all seinen Schaffensperioden ihre Gültigkeit behalten. Der künstlerische hohe Anspruch blieb bei ihm immer derselbe, eine Resignation gegenüber dem eingeschlagenen Weg hat es nie gegeben. Wohl hat es ihn stets beschäftigt, eine unverwechselbare Handschrift zu haben. Aber seine Vision, über die dreidimensionale Darstellung zum farblichen und klanglichen "Raum" zu kommen, machte dieses Vorhaben besonders schwierig.
Betrachtet man heute unseres Bruders gesamtes Lebenswerk, dann ist da in der Tat eine starke, unverwechselbare und eigenwillige Handschrift zu erkennen, die durch das immer fortgesetzte Suchen nach der wahren Form sehr bunt und vielgestaltig ausgefallen ist.